Zwischen Krieg und Frieden

Konfliktforscher und -forscherinnen registrieren in der nahen Vergangenheit und Gegenwart eine Zunahme an kriegerischen Handlungen und politischen Konflikten. Das ist besorgniserregend. Und auch Europa erfährt derzeit eine Zäsur, bewirkt durch unerschrockene, nahezu heroische politische Kräfte, namentlich Putin und Trump. Und hierbei kann diagnostiziert werden, dass eine politische Konstellation der andauernden Hochspannung, wie wir sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und im Zustand des Kalten Krieges sogar darüber hinaus in Europa wahrnehmen und aushalten mussten, nun nach einer Phase, in welcher wir uns friedlich eingerichtet hatten, zurückgekehrt ist. Unsere Verhältnisse waren in Ordnung und sind es jetzt plötzlich nicht mehr. Es ist inzwischen unschwer zu erkennen, dass derzeit Russland zu den heroischen Gesellschaften gehört, während die Europäer in postheroischen Gesellschaften leben. Und was ist mit den USA?

Und genau in dieser unübersichtlichen weltpolitischen Situation hatten wir das Glück, mit einem renommierten Völkerrechtler und Rechtswissenschaftler im Rahmen der Hagenmüllervorlesung in den Austausch zu kommen. Ralph Janik gastierte am 25. März in unserem Festsaal und nahm sich in progressiver Manier den Fragen der Weltpolitik und des Weltfriedens an.

Janik steigt zu Beginn seines Vortrages mit dem so genannten „Konfliktbarometer“ des Heidelberg Institute for International Conflict Research ein. Eine dort simulierte Landkarte gegenwärtiger Konflikte aus dem Jahre 2023 schafft Übersicht über die jeweilige Intensität kriegerischer Handlungen auf unserer Erde. Und ein Blick auf die Mannigfaltigkeit möglicher Antriebe, einen Konflikt einzugehen, ist edukativ. Letztendlich – wenngleich bedrückend – ist festzuhalten: Wer einen Krieg führen möchte, wird diesen führen, abseits jeglicher vermeintlichen Moral. Aber was sind die antreibenden Kräfte einer kriegerischen Aktion? Das o.g. Barometer erkennt hier folgende Ursachen in motivierter Reihenfolge: System und Ideologie, Ressourcen , regionale Machtfragen, nationale Macht, Autonomie oder Abspaltung.

Weitaus beruhigender – aus österreichischer Sicht – liest sich der in weiterer Folge präsentierte Global Peace Index. Österreich befindet sich tatsächlich auf Platz drei und folgt hier den beiden Ländern Island und Irland. Auf Platz vier rangiert Neuseeland. Sichere Außengrenzen, Meinungsfreiheit, Menschenrechte, Medienfreiheit, Stabilität in Bezug auf das politische System (Stichwort: Demokratie) oder Sicherheit im öffentlichen Raum sind hier einschlägige Parameter. Doch die Sicherheit Österreich lässt sich erstaunlicherweise in erster Linie aus einem soziodemografischen Phänomen erklären: Die Überalterung der hiesigen Gesellschaft, von welcher schlicht weniger Gefahr ausgeht.

Zuletzt noch ein Blick auf den aktuellen Konflikt zwischen der Ukraine und Russland, welcher in seiner Dimension und seiner Idee ein außergewöhnlicher und daher ein besonders bedrohlicher ist. Bedenkt man, dass seit 1945 – auch dies lässt sich den offiziellen Indizes entnehmen – Interstate-Kriege stark abgenommen haben und vermehrt so genannte Intrastate-Kriege, also innerstaatliche Konflikte, stattfanden und -finden, sticht diese Kriegshandlung Russlands, in Form eines Überfalls auf ein außerstaatliches Territorium, besonders aggressiv hervor. Natürlich darf gleichzeitig in diesem Zusammenhang das Phänomen der so genannten „Stellvertreterkriege“ nicht verharmlost werden – definitiv auch eine moralische Frage, welche hier diskutiert werden sollte.

Dieses neue bzw. wieder aufkommende „offene Visier“ im Umgang mit Konflikten – gesehen auch im Diskurs Selenskyi versus Trump/Vance – muss daher mit großer Sorge beobachtet werden. Der Leitsatz „Homo homini lupus“ hat ja keine Zwangsläufigkeit, waren jahrzehntelang politische Diskussionen von höherer Diplomatie. Mit Sicherheit gilt es gegenwärtig den Wert der Demokratie vehement zu verteidigen, denn schon Karl R. Popper wusste: „Der Vorzug der Demokratie ist, dass ihre Fehler korrigierbar sind, dass Fortschritt über Fehlschritte möglich ist.“ Ralph Janiks Einblicke in die politische Weltlage sollen hierbei junge Erwachsene sensibilisieren. Ihnen gehört die Zukunft. Ich meine, es ist ihm sehr gut gelungen.